Illustration einer Glühbirne

Innovationsschub für Deutschland

Mehr Freiraum, schnellerer Transfer, bessere Finanzierung: Wie Deutschland seine Rolle als Wirtschaftsmacht und Vorreiter im Klimaschutz neu gestalten kann.

Unsere Gesellschaft steht vor herausfordernden Zeiten. Alte Gewissheiten verlieren ihre Gültigkeit, und lang erprobte Wertschöpfungsketten geraten ins Stocken. Im Land der Tüftler und Erfinderinnen plätschert unsere Innovationskraft vor sich hin, anstatt zu einem Strom für die Erneuerung unseres Wohlstands zu werden. Doch gerade jetzt müssen wir handeln, um Deutschlands Rolle in der Welt als treibende Kraft für Demokratie und Klimaschutz wieder zu stärken. 

Die Ressourcen dafür haben wir: Wir haben exzellente Forschungseinrichtungen und die vielen Talente, die aus ihnen hervorgehen. Wir haben Gründerinnen und Unternehmer, die aus Erfindungen und Patenten marktfähige Produkte machen und damit Wertschöpfung für unsere Wirtschaft generieren. 

Die klugen Köpfe in unserem Land sind der Schlüssel, um unseren Wohlstand zu erneuern und den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaftsmacht zu ebnen. Das muss unser Ziel sein, wenn wir die Verbindung von Wohlstand und Klimaschutz zu einem weltweiten Erfolgsmodell machen wollen. Nur wer wirtschaftlich relevant ist, kann auch die globalen Entwicklungen mitgestalten. 

Deutschland kommt daher auch in Europa die Aufgabe zu, eine echte Innovationsunion voranzutreiben, die in entscheidenden Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz, Quantentechnologien, Biotechnologie, Raumfahrt und Mikroelektronik eine führende Rolle spielt. Nur so können wir Technologien aktiv mitgestalten, ihre vollen Potenziale für uns nutzen und sie zum Wohl von Mensch und Umwelt einsetzen. 

Erste wichtige Schritte sind bereits gemacht – und sie können als Wegweiser für weitere dienen. Die Gründung der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz SPRIND*, war ein Meilenstein. Zum ersten Mal gibt es in Deutschland einen Akteur, der mutig neue Ideen unterstützt. Diese können scheitern – oder eben zu disruptiven Erfindungen führen, die neue Märkte eröffnen, Emissionen drastisch reduzieren oder lebensrettende Medikamente gegen Viren hervorbringen. 

Die Gründung der Agentur allein reicht jedoch nicht aus. Ein Innovationsakteur wie die SPRIND braucht Freiräume, um wirken zu können; nur wer flexibel agieren sowie die besten Talente anstellen und entsprechend bezahlen kann, macht wirklich einen Unterschied. Das «SPRIND-Freiheitsgesetz» der Bundesregierung, das bürokratische Hürden abgebaut und der Agentur mehr Kompetenzen übertragen hat, war hier entscheidend, um beispielsweise jahresübergreifende Budgets und Direktinvestitionen in Unternehmen zu ermöglichen. Solche Freiräume müssen auch in anderen Bereichen des Innovationssystems geschaffen werden. Zum Beispiel könnte das sogenannte Besserstellungsverbot gelockert oder die zum Teil starre Projektträgerlandschaft weiterentwickelt werden. 

Neben mehr Mut und Flexibilität muss auch der Transfer aus den Forschungseinrichtungen in Unternehmensgründungen besser werden. Deutschland steht an der Spitze bei Patenten, ist aber nur Mittelmaß bei Ausgründungen aus Hochschulen, die diese Patente verwerten. Das Ausgründungsprogramm EXIST hat hier in den vergangenen Jahrzehnten zwar wichtige Grundlagen gelegt, wir brauchen jedoch deutlich mehr Geschwindigkeit und eine höhere Zahl erfolgreicher Gründungen. 

Ein vielversprechender Ansatz ist der Leuchtturmwettbewerb der «Startup Factories». 2025 werden bis zu zehn Hochschulteams ausgewählt, die mit privaten Partnern ihr Gründungsökosystem auf eine neue Ebene heben. Die geforderte private Kofinanzierung von 50 Prozent sorgt dafür, dass Unternehmen, Banken und Investorinnen direkt in das Netzwerk eingebunden werden, das Gründerinnen für ihren Erfolg benötigen. 

Ein weiterer zentraler Baustein für Innovation ist die Finanzierung. Der Zugang zu Kapital ist in anderen Teilen der Welt oft deutlich leichter. Der Zukunftsfonds in Deutschland stellt hierfür zehn Milliarden Euro bereit. Der Deep-Tech- und Climate-Fonds investiert eine Milliarde Euro direkt in Unternehmen – in recycelbare Batterien, Quantencomputer oder Erdbeobachtung aus dem Weltall. Doch das ist nur ein kleiner Baustein eines größeren Finanzierungsangebots, für das sich Banken und Versicherungen stärker öffnen, um innovative Unternehmen zu unterstützen. 

Mehr Freiräume, mehr Forschungsausgründungen, mehr Finanzierung – das sind die Zutaten, die Deutschland und Europa für einen Innovationsschub brauchen. Wie zwingend dieser ist, zeigt sich aktuell daran, wie Tech-Milliardäre zunehmend die globale Politik beeinflussen. Wir müssen auf Augenhöhe sein, um mitzugestalten – und Demokratie sowie Klimaschutz zu sichern. 


Anna Christmann ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und beschäftigt sich maßgeblich mit Innovations- und Technologiepolitik. Seit 2021 ist sie zudem Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt sowie Beauftragte des BMWK für die digitale Wirtschaft und Start-ups.

*Um innovative Ideen und die Fortentwicklung im Land voranzutreiben, wurde im Dezember 2019 die Bundesagentur für Sprunginnovationen in Deutschland, kurz SPRIND, in Leipzig gegründet. Sie ist ein flexibles und schnell wirksames staatliches Instrument zur Förderung zukunftsweisender Erfindungen und Entwicklungen. Der Bund ist alleiniger Gesellschafter.

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